FDM in der Psychologie
Forschungsgegenstand der Psychologie sind der Mensch und sein durch kognitive Prozesse gesteuertes Verhalten. Daher haben die in der psychologischen Forschung erhobenen Daten - wie in der Medizin oder den Erziehungswissenschaften - zumeist einen sehr starken Personenbezug. Nach der Charta der Europäischen Union haben Personen jedoch ein Grundrecht auf den Schutz ihrer persönlichen Daten. Dieser Schutz ist bei der Erhebung, Auswertung und Veröffentlichung von Forschungsdaten, die im Rahmen einer Studie erhoben werden, besonders zu beachten. Aus diesem Grund ist es Forschenden nur mit einer informierten Einwilligung möglich, Daten von Personen für die Beantwortung ihrer Forschungsfrage zu erheben und auszuwerten.
Die Psychologie ist durch eine enorme Methodenvielfalt gekennzeichnet. Da der Personenbezug der Daten die Datenerhebung in der Psychologie maßgeblich bestimmt, sind viele FDM-spezifische Werkzeuge und Anwendungen (siehe Abschnitte Tools und Services) vor allem nach diesem Kriterium ausgerichtet.
Hinsichtlich der in den verschiedenen psychologischen Teildisziplinen erhobenen Forschungsdaten zeigt sich aber ebenso eine enorme Vielfältigkeit. Diese reicht von Video-/Audioaufnahmen, über M/EEG- und MRT-Daten, weiteren physiologischen Daten (z. B. Herzrate, Augenbewegungen, Muskelkontraktionen, elektrische Leitfähigkeit, Hormone etc.) bis hin zu verschiedensten Fragebogendaten.
Die Psychologie war auch eine der ersten Disziplinen, die sich konkret mit der Etablierung eines strukturierten, disziplinspezifischen Forschungsdatenmanagements (FDM) beschäftigte. Federführend bei dessen Ausgestaltung war insbesondere das an der Universität Trier gegründete Leibniz-Institut für Psychologie (ZPID), das sich nach der rechtlichen Verselbstständigung im Jahre 2013 zunehmend als Public-Open-Science-Institut für die Psychologie positionierte. Mit der Schaffung der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) entstanden weitere wichtige Anlaufstellen wie die NFDI4Health und die außerhalb der NFDI finanzierte NFDINeuroscience. Weitere Dienstleistungen für die Psychologie werden durch das von der Deutschen Gesellschaft der Psychologie (DGPs) gegründete TransMIT Zentrum für wissenschaftlich-psychologische Dienstleistungen angeboten. Unter Disziplinspezifische Projekte finden Sie weitere Einrichtungen.
Im Weiteren stellen wir Ihnen Angebote und Services im Bereich des psychologiebezogenen Forschungsdatenmanagements vor. Ihnen fehlt ein Angebot? Sie finden Zusammenhänge nicht ganz richtig dargestellt oder haben Fragen? Wir freuen uns auf Ihre E-Mail.
Informieren und Planen
Die DGPs hat eine mehrfach überarbeitete Empfehlung zum allgemeinen Umgang mit Forschungsdaten in der Psychologie in deutscher und englischer Sprache herausgegeben. Basierend auf den DFG-Leitlinien zum Umgang mit Forschungsdaten geht sie detailliert auf die spezifischen Anforderungen in der Psychologie ein. In der aktuellen Fassung von 2020 werden auch Aspekte wie Zugangs- und Nutzungsrechte Dritter, strukturelle Anreize zur Bereitstellung entsprechender Services in den Einrichtungen zur Umsetzung der Richtlinie sowie der Umgang mit Konfliktfällen einbezogen.
Für Studien, deren Intervention direkten Einfluss auf kognitive und physiologische Funktionen ausüben kann (z. B. Stimulationsstudien, Medikamentenvergabe, MRT, etc.), ist die Einholung eines Ethikvotums bei der lokalen Ethikkommission obligatorisch. Dabei ist zu beachten, dass Ethikkommissionen in erster Linie eine beratende Funktion haben, d.h. sie beurteilen eine geplante Studie hinsichtlich ethischer Richtlinien und können entsprechende Nachbesserungen fordern, um eine richtlinienkonforme Durchführung der Studie zu gewährleisten.
Sind Studien mit Minderjährigen oder Personen mit eingeschränkter Einwilligungsfähigkeit geplant, gelten besondere Bedingungen. Eine Übersicht, was zu beachten ist, bieten der Verbund Forschungsdaten Bildung und eine Handreichung aus dem DFG-geförderten Projekt FDNext.
Eine weitere Besonderheit psychologischer Studien sind sogenannte Täuschungsstudien, bei denen durch erfundene Hintergrundgeschichten versucht wird, den wahren Zweck der Studie zu verschleiern, um unerwünschtes Verhalten der Studienteilnehmenden zu verhindern. Diese spezielle Studienform ist aus ethischer Sicht ambivalent, da sie im Widerspruch zur notwendigen Informiertheit der Teilnehmenden steht, die für die Einwilligung zur Datenerhebung und -weiterverarbeitung notwendig ist. Hier ist nach der Teilnahme immer eine nachträgliche Aufklärung über den wahren Zweck der Studie und die Einholung einer zweiten Einwilligung erforderlich, die sich auf die Verwendung der Daten selbst beziehen muss.
Darüber hinaus sollten auch die Leitlinien von Forschungsförderern zu Rate gezogen werden, da diese hinsichtlich einer sinnvollen Verwendung von Geldern verpflichtende Angaben u.a. zu Methodik, zur geplanten Nachnutzung der Forschungsdaten sowie benötigte Ressourcen und Verantwortlichkeiten nach Beendigung des Projektes verlangen. Je nach Forschungsförderer besteht unter Umständen auch die Möglichkeit, Gelder zu beantragen, die für FDM-bezogene Maßnahmen benötigt werden.
Disziplinspezifische Tools und Services zu Datenmanagementplänen
Data Wiz
DataWiz ist ein vom ZPID entwickeltes Tool zur Dokumentation des eigenen Forschungsprojekts. Das Tool ermöglicht auch die Erstellung eines Datenmanagementplans – der die Anforderungen von EC Horizon, DFG und BMFTR erfüllt.
STAMP
STAMP ist ein für die Bildungswissenschaften entwickelter, auf RDMO basierendes Tool zur Erstellung eines Datenmanagementplans, der aufgrund der Nähe der Bildungswissenschaften zur Psychologie auch für letzteres geeignet ist.
Daten erfassen, organisieren und dokumentieren
Eine umfassende und einheitlich strukturierte Dokumentation der erhobenen Daten ist die wesentliche Grundlage für eine sinnvolle Interpretation der Ergebnisse. Eine arbeitsbegleitende Dokumentation ist sinnvoll, da sie Entscheidungen bei der Erhebung und Analyse rekonstruierbar und nachvollziehbar macht. Dies kann mit Hilfe eines Datenmanagementplans sinnvoll geregelt werden.
Laborbücher, welche in der Psychologie vor allem in der Form von Messprotokollen existieren, eignen sich ideal zur Dokumentation des Forschungsprozesses und damit auch zur Dokumentation des Umgangs mit Forschungsdaten. Die Entscheidung für eine elektronische Version eines Laborbuches (ELB) sollte gut abgewogen werden. Um aus der Vielzahl an unterschiedlichen ELB-Anwendungen ein individuell passendes ELB zu finden, kann entweder der ELN Finder der TU Darmstadt oder ein Poster mit dem Titel Electronic Laboratory Notebooks in (Neuro-)Psychological Research Environments zu Rate gezogen werden, das im Rahmen der Konferenz Psychologie und Gehirn (Würzburg, 2025) vorgestellt wurde. Zusätzlich geben verschiedene Entscheidungshilfen Tipps zur zielführenden Auswahl eines ELB, wie z. B. die Scorecard von Labfolder, ein Pocketguide oder der ELN Guide von Publisso. Viele Universitäten bieten ELBs überdies als zentrale Instanz zur freien Nutzung an, sodass wir empfehlen, sich an zentralen Stellen der eigenen Einrichtung zu erkundigen (z. B. Bibliothek, Fachreferat, Referent*innen für Forschungsdatenmanagement). Alternative Dokumentationsformen sind Codebooks/Data Dictionaires und README-Dateien (einfache .txt-files, welche entsprechenden Informationen liefern).
Während der Datenerhebung sind vor allem Angaben zum Kontext der erhobenen Forschungsdaten wichtig, da sie die Forschenden bei der Interpretation der Forschungsdaten maßgeblich unterstützen. Diese als Metadaten bezeichneten Daten sind z.B. Messzeitpunkt und -ort, Einhaltung der Teilnahmebedingungen durch die zu testenden Personen, Name des Messenden, Name und Version der genutzten Software bzw. Geräte zur Erhebung, Aufbereitung und Analyse der Forschungsdaten, etc.
In einer Publikation aus dem Jahr 2020 wird aufgeführt, was als Minimum an Metadaten für eine sinnvolle Interpretation psychologischer Daten erfasst werden sollte. Das ZPID hat auf dieser Grundlage einen Metadatenstandard für verhaltenswissenschaftliche Forschungsdaten in Deutschland entwickelt. Ebenfalls etabliert hat sich ein internationaler Metadatenstandard für Daten aus sogenannten bildgebenden Verfahren (MRT, M/EEG), welcher auch Verhaltens- und Bewegungsdaten bzw. Daten aus neuropsychologischen Testverfahren umfasst. Dieser Standard beinhaltet neben den eingangs erwähnten Metadatenaspekten auch eine einheitliche Datenablagestruktur und eine Benennungskonvention für die erhobenen Daten. Dies ermöglicht es den Datennachnutzenden, sich strukturiert und zielführend u. a. über die Art und die Erhebungsweise der Daten zu informieren. Wer Unterstützung bei der Integration in den eigenen Forschungsalltag benötigt, kann sich bei einer sogenannten Consultation hour anmelden, welche einmal im Monat stattfindet. Im Rahmen des GENEMEDE-Projekts arbeiten Forschende daran, einen Metadatenstandard für neuropsychologische Experimente zu entwickeln. Hier sind bereits viele Aspekte wie Projekt, Förderung, Ethik, Forschende usw. durch entsprechende Standards abgedeckt. An weiteren wird derzeit noch gearbeitet.
Hilfreich ist auch die Verwendung von Thesauri und Klassifikationen (siehe Abschnitt Tools & Services). Erstere ermöglichen ein inhaltliches Verständnis der verwendeten Begriffe, ohne einen eigenen Kontext liefern zu müssen, während Klassifikationen einen Kontext zur inhaltlichen Verortung der Daten im System der Psychologie liefern.
Spezifika psychologischer Forschungsdaten
Um Daten frei verarbeiten und veröffentlichen zu können, muss entweder das Einverständnis der betroffenen Person zur Verarbeitung und Veröffentlichung vorliegen oder der Personenbezug zu den Daten vollständig entfernt sein.
Letzteres ist zumindest in einigen Teildisziplinen der Psychologie nur schwer umsetzbar: während qualitative und quantitative Daten durch Werkzeuge wie QualiAnon oder Amnesia sehr leicht vom Personenbezug befreit werden können, sind MRT- und M/EEG-Daten sowie Video- und Audioaufzeichnungen selbst ohne Erhebung persönlicher Informationen aufgrund individueller Merkmale immer noch eindeutig einer Person zuzuordnen. So werden z. B. bei Schädel-MRT-Aufnahmen Informationen über Knochenstruktur und Bindegewebe erhoben, welche eine Rekonstruktion des Gesichts ermöglichen. Auch wenn bestimmte Informationen mit Hilfe spezifischer Programme (siehe Sektion Tools & Services) entfernt werden können, ist dies bei strukturellen MRT-Daten nicht im gleichen Maße möglich, da diese die eigentlichen Forschungsdaten darstellen. In Zukunft sollte bei der Planung von Studien außerdem bedacht werden, dass durch KI-gestützte Programme ein Rückschluss auf ein Individuum möglich sein könnte, wie es momentan noch nicht denkbar ist.
Andere Forschungsdaten wie Audioaufnahmen können verfremdet werden, wenn nur der gesprochene Inhalt das Forschungsdatum darstellt. Sind jedoch sprachliche Merkmale wie Tonhöhe oder -frequenz das Forschungsdatum, ist eine vollständige Anonymisierung nicht möglich, was bereits bei der Planung eines Forschungsvorhabens in der Einverständniserklärung berücksichtigt werden muss. Gleiches gilt für Videoaufnahmen, wenn z.B. Augenbewegungen und Mimik das Forschungsdatum darstellen.
Tools und Services
Veröffentlichen und Archivieren
Das Recht des Einzelnen, frei über die Verwendung der eigenen Daten entscheiden zu können, erfordert nicht nur bei der Erhebung und Auswertung besondere Vorkehrungen hinsichtlich der Nutzung personenbezogener Daten, sondern auch bei deren Veröffentlichung. Erfolgt bereits die Datenerhebung absolut anonym bzw. kann eine Absolute Anonymisierung im Nachhinein gewährleistet werden, steht einer Veröffentlichung der Daten und Ergebnisse nichts im Wege. Weitere Informationen hierzu finden Sie in Kapitel 2.2. der Publikation Datenschutzrechtliche Anforderungen bei der Generierung und Archivierung qualitativer Interviewdaten.
Ist jedoch eine absolute Anonymisierung der Forschungsdaten nicht möglich (z.B., die Tonhöhe oder Frequenz bei Audioaufnahmen), ist die Veröffentlichung der Daten nur unter einer Voraussetzung möglich. Diese ist die Einholung der informierten Einwilligung des Probanden zur Erhebung, Weiterverarbeitung, und auch der Veröffentlichung der erhobenen Daten. Liegt die Einwilligung nicht vor, kann eine Veröffentlichung der Metadaten in Betracht gezogen werden, die zumindest für bestimmte Fragestellungen einen sehr hohen Informationsgehalt besitzen könnte.
Liegt eine informierte Einwilligung zur Veröffentlichung der Daten vor und eine absolute Anonymisierung ist nicht möglich, so kann eine uneingeschränkte Veröffentlichung der Daten dennoch in gewissen Fällen nicht geboten sein, z.B. im klinischen Kontext oder in Bezug auf Minderjährige. In diesen Fällen kann der Zugang zu den Daten in eingeschränkter Form über sogenannte Zugangsklassen (z.B. bei Repositorien und Langzeitarchiven), oder über Lizenzen bzw. konkrete Datennutzungsvereinbarungen zwischen den Partnerinstitutionen ermöglicht werden. Je nach Klasse, Lizenz oder Vereinbarung besteht somit eine direkte Kontrolle über die verwendeten Daten und den Kreis der Nutzenden.
Die DGPs definiert in ihren Leitlinien vier Zugriffsklassen, die in gleicher oder ähnlicher Weise auch von verschiedenen Repositorien und Langzeitarchiven genutzt werden. Hier lohnt ein genauer Blick in die Regularien der jeweiligen Repositorien, ob diese den eigenen Ansprüchen genügen. Auf der Suchseite re3data.org, die für das Auffinden von Repositorien für das jeweilige Fachgebiet sehr hilfreich ist, kann z. B. nach Zugriffsklassen gefiltert werden. Die Nutzung veröffentlichter Daten kann zudem auch durch Lizenzen geregelt werden, von denen Creative Commons die bekannteste ist.
Wo Daten konkret veröffentlicht und archiviert werden können, wird im nächsten Kapitel besprochen.
Finden und Nachnutzen
Das Archivieren erhobener Daten zum Zweck der Nachnutzbarkeit ist in der Psychologie zwar noch nicht allzu weit verbreitet, jedoch setzt hier allmählich ein Umdenken ein.
Neben generischen Repositorien (wie z. B. Zenodo oder DRYAD) finden sich zunehmend auch fachspezifische Repositorien, die in Deutschland vor allem vom ZPID zur Verfügung gestellt werden. Das ursprünglicherweise nur auf die Psychologie ausgerichtete Forschungsdatenzentrum am ZPID wurde mit PsychArchives um ein weiteres Repositorium ergänzt, welches auch für angrenzende Fachgebiete (z.B. Neurologie, Medizin, etc.) zur Verfügung steht. Neben den ganz konkreten Forschungsdaten unterstützt es eine Vielzahl an weiteren Datentypen, wie z.B. Artikel, Preprints, Code, Supplements, Präregistrierungen, Tests und Multimedia-Objekte, etc..
Bei der Wahl eines Repositoriums sollte die Sicherheit sensibler Daten sichergestellt sein. Die Server des Forschungsdatenzentrums und PsychArchives liegen in Europa (konkret in Deutschland), und unterliegen damit auch der DSGVO. Bei der Archivierung von Forschungsdaten aus international ausgerichteten Forschungsgruppen könnten Repositorien wie z. B. OpenNeuro in Betracht gezogen werden, welche nicht an die DSGVO gebunden sein müssen. OpenNeuro bietet dabei für der DSGVO unterliegende Studien eine Einverständniserklärung an.
Darüber hinaus sind auch daten- (z. B. GenBank) oder institutsspezifische Repositorien (z. B. Refubium der Freien Universität Berlin, oder HeiDATA der Universität Heidelberg) für Forschende in der Psychologie relevant.
Weitere Repositorien können mittels re3data ausfindig gemacht werden:
Ethik
Der Aspekt Ethik in der Psychologie umfasst neben der Berufs- und Wissenschaftsethik, wie sie für alle Disziplinen gilt, insbesondere den Bereich des respektvollen Umgangs mit Probanden und den verantwortungsvollen Umgang mit den anvertrauten Daten. Die DGPs hat hierzu in Zusammenarbeit mit dem Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen eine Richtlinie zur Berufsethik verfasst, in der verschiedene Aspekte für die Arbeit von wissenschaftlich, therapeutisch und anderweitig arbeitenden Psycholog*innen dezidiert erfasst und erklärt werden. Auf europäischer Ebene regelt der Meta-Code of Ethics der European Federation of Psychologists Associations die ethischen Prinzipien, nach denen Psychologen ihre Arbeit ausrichten sollen.
Eine ethisch einwandfreie Datenerhebung, -auswertung und -veröffentlichung hängt – wie bereits erwähnt – in hohem Maße von der informierten Einwilligung der Personen ab, die ihre Daten zur Verfügung stellt. Eine informierte Einwilligung kann nur erfolgen, wenn die entsprechende Person umfassend informiert wird: über Sinn und Zweck des Experiments, über die Verantwortlichen für die Datenerhebung, den Studientitel (einen spezifizierten und bestimmten Fall), über den Ablauf des Experiments, über die Art der Daten und wie diese erhoben, ausgewertet, gespeichert, erhalten und veröffentlicht werden, wer Zugriff auf die Daten hat und wie die Datensicherheit gewährleistet wird.
Die besondere Natur der bereits erwähnten Täuschungsstudien (siehe Informieren und Planen) steht dem Ziel einer informierten Einwilligung allerdings entgegen. Forschende, die sich insbesondere der Erforschung von Persönlichkeitsmerkmalen und Einstellungen widmen, die als sozial erwünscht gelten (ehrlich und hilfsbereit sein, keine Vorurteile haben etc.), haben kaum eine andere Möglichkeit, als falsche Informationen über den Zweck der Studie zu geben, um die Ergebnisse nicht zu verfälschen. Daher müssen sich die Forschenden auch der möglichen Risiken bewusst sein, die sich aus der notwendigen Täuschung ergeben, wie z.B. die ungewollte Manipulation und Veränderung der Versuchsperson, die Verletzung ihrer Würde und Selbstachtung, die Verletzung der Vertraulichkeit persönlicher Informationen, aber auch die Etablierung unwürdiger sozialer Machtverhältnisse zwischen Versuchsleiter*in und Versuchsperson. Dies muss sich in einem Ethikantrag entsprechend abbilden und die Notwendigkeit der Täuschung muss ausführlich begründet werden.
Die Gefahr der Verletzung der Vertraulichkeit personenbezogener Daten besteht jedoch nicht nur bei Täuschungsstudien, sondern grundsätzlich zu jeder Zeit. Aus diesem Grund gilt eine sehr hohe Sorgfaltspflicht bei der Aufbewahrung und Sicherung der erhobenen Daten, um unberechtigten Zugriff und Missbrauch zu verhindern.
Gerade bei der Umsetzung der 3-2-1-Backup-Regel sind vor allem sensible personenbezogene Daten (u. a. Name, Alter, Geschlecht, E-Mail-Adresse, Geburtsdatum, politische Einstellung, sexuelle Identität etc.) zu schützen. Insbesondere ist zu vermeiden, dass die so genannte Probandennummer zusammen mit dem Klarnamen oder anderen sensiblen Informationen in einem Dokument aufgeführt wird (siehe auch Webersohn & Scholz: Datenschutz in klinischen Studien). Obligatorisch ist das Führen zweier passwortgeschützter Listen (mit sicheren Passwörtern), siehe dazu auch 10 goldene Regeln zur Informationssicherheit an der Universität Bamberg sowie Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik. Eine Liste enthält sensible Informationen und eine Identifikationsnummer (auch Pseudonym genannt). Die zweite Liste verbindet die Probandennummer mit der zuvor erwähnten Identifikationsnummer und wird NICHT am selben Ort wie die erste Liste gespeichert. Die während des Versuchs erhobenen Daten werden NUR mit der Probandennummer verknüpft. Die Passwörter für beide Listen dürfen nur den Personen, die Zugang zu diesen Daten benötigen, bekannt sein. Dies müssen zur Sicherheit mindestens zwei Personen sein, insgesamt sollte der Personenkreis jedoch begrenzt werden.
Wenn nicht digital gearbeitet wird, müssen die beiden Listen an zwei physisch getrennten Orten aufbewahrt werden. Es muss allerdings sichergestellt werden, dass mindestens zwei Personen auf diese Listen zugreifen können.
Disziplinspezifische FDM-Projekte
Bei der größten Fachvereinigung der Psychologie, der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs), sind in zwei Fachgruppen jeweils Interessensgruppen zum Thema Open Science und Reproduzierbarkeit gegründet worden. In der Fachgruppe Bio- und Neuropsychologie hat sich 2021 die Interessengruppe Interessensgruppe offene und reproduzierbare Forschung (IGOR) gegründet, welche in verschiedenen Projekten aktiv an der Entwicklung von Ressourcen zu diesem Thema arbeitet. In der Fachgruppe Klinische Psychologie und Psychotherapie hat sich die AG Open Science ebenfalls diesem Thema verschrieben. Beide Interessensgruppen gehören dem German Reproducibility Network an.
Im NODES-Projekt wird an einem Metadatenstandard für die Neuroendokrinologie gearbeitet, welcher ca. 2027 einsatzbereit sein soll.
Das Projekt PODMAN entwickelte ein Referenzmodell und ein zugehöriges prozessorientiertes Benchmarking-Verfahren zur Implementierung des Forschungsdatenmanagements an Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen.
Das Projekt PsyCuraDat strebt die Entwicklung nutzerorientierter Kurationskriterien an, welche die Bedürfnisse der Forschenden in ihrer Rolle als Datengeber*innen und Datennehmer*innen berücksichtigen. Darüber soll eine effizientere und effektivere Dokumentation und Nachnutzung psychologischer Forschungsdaten ermöglicht werden.
Schulungsmaterialien
Das Projekt FDNext entwickelte zwischen 2020 und 2023 psychologie-bezogene FDM-Materialien. Diese sind über die Zenodo-Community des Projekts verfügbar.
Die Interessengruppe Offene und Reproduzierbare Forschung (IGOR) hat auf GitHub einen Wegweiser durch das Ressourcenlabyrinth in der Psychologie erstellt, der trotz des Fokus auf forschungsrelevante Aspekte auch FDM im Blick hat.
Weiterführende Literatur
Train-the-Trainer: "Forschungsdatenmanagement in der Psychologie: Fachspezifisches Train-the-Trainer-Konzept (Version 2)"
Autor*innen: Sven Paßmann, Sibylle Söring
Erscheinungsjahr: 2023
https://doi.org/10.5281/zenodo.8113417
Dokument: "Forschungsdatenmanagement bei personenbezogenen Daten - eine Handreichung"
Autor*innen: Janna Kienbaum, Patryk Fischer, Sven Paßmann
Erscheinungsjahr: 2023
https://doi.org/10.5281/zenodo.7428524
Papier: "Low Research-Data Availability in Educational-Psychology Journals: No Indication of Effective Research-Data Policies"
Autor*innen: Markus Huff, Elke C. Bongartz
Erscheinungsdatum: 2023
https://doi.org/10.1177/25152459231156419
Papier: "Data management and sharing: Practices and perceptions of psychology researchers"
Autor*innen: John A. Borghi, Ana E. Van Gulick
Erscheinungsdatum: 2021
https://doi.org/10.1371/journal.pone.0252047
Papier: "PsyCuraDat: Designing a user-oriented curation standard for behavioral psychological research data. Frontiers in Psychology"
Autor*innen: Katarina Blask, Lea Gerhards, Maria Jalynskij
Erscheinungsdatum: 2021
https://doi.org/10.3389/fpsyg.2020.579397
Papier: "Metadata in Psychology 1.0: What researchers really need-Study description of the data referring to the expert interviews conducted in the BMBF-funded project PsyCuraDat"
Autor*innen: Katarina Blask, Maria Jalynskij, Lea Gerhards
Erscheinungsjahr: 2020
https://doi.org/10.23668/psycharchives.2750
Papier: "Management und Bereitstellung von Forschungsdaten in der Psychologie: Überarbeitung der DGPs-Empfehlungen"
Autor*innen: Mario Gollwitzer, Andrea Abele-Brehm, Christian Fiebach, Roland Ramthun, Anne M. Scheel, Felix Schönbrodt, Ulf Steinberg
Erscheinungsjahr: 2020
https://doi.org/10.31234/osf.io/hcxtm
Papier: "An empirical assessment of transparency and reproducibility-related research practices in the social sciences (2014–2017)"
Autor*innen: Tom E. Hardwicke, Joshua D. Wallach, Mallory C. Kidwell, Theiss Bendixen, Sophia Crüwell, John P. A. Ioannidis
Erscheinungsjahr: 2020
https://doi.org/10.1098/rsos.190806
Papier: "Data Sharing in Psychology: A Survey on Barriers and Preconditions"
Autor*innen: Bobby Lee Houtkoop, Chris Chambers, Malcolm Macleod, Dorothy V. M. Bishop, Thomas E. Nichols, Eric-Jan Wagenmakers
Erscheinungsjahr: 2018
https://doi.org/10.1177/2515245917751886
Papier: "Data sharing in psychology"
Autor*innen: Maryann E Martone, Alexander Garcia-Castro, Gary R VandenBos
Erscheinungsjahr: 2018
https://doi.org/10.1037/amp0000242
Papier: „Elektronische Laborbücher im Kontext von Forschungsdatenmanagement und guter wissenschaftlicher Praxis - ein Wegweiser für die Lebenswissenschaften: ELN-Wegweiser“
Autor*innen: Beatrix Adam, Birte Lindstädt
Erscheinungsjahr: 2020
http://dx.doi.org/10.4126/FRL01-006422868
Zitiervorschlag (Chicago)
Redaktion von forschungsdaten.info. „Forschungsdatenmanagement in der Psychologie“. forschungsdaten.info, 09. Juli 2025. Link.